Wer mich kennt, weiß, dass ich die Amtsführung Joachim Gaucks bisher durchaus kritisch begleitet habe. Da gab es die nachträglichen Korrekturen an der Feststellung seines Amtsvorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland. Da gab es die Korrektur der Feststellung der Bundeskanzlerin vor der Knesset, die Sicherheit Israels gehöre zur deutschen Staatsräson. (Und zwar ausgerechnet während eines offiziellen Israel-Besuchs und auf dem Gelände von Yad Vashem!)
Da gab es die verkorkste Kritik an ungenannten Leuten, die aus dem Holocaust angeblich eine Ersatzreligion machten, verbunden mit einer sehr merkwürdigen Kritik an der Moderne. Da gab es sein Versagen bei der Erklärung der deutschen Europa-Politik, verbunden mit einer Kanzlerin- und Medienschelte. Da gab es seine Kritik am „Tugendfuror“ anlässlich der Brüderle-Dirndl-Affäre.
Wen es interessiert –
Hier meine Kritik an Gaucks Israel-Äußerungen:
Hier meine Kritik an Gaucks Ausführungen zum Holocaust:
Hier Richard Herzingers exzellente Kritik an Gaucks Kritik der Moderne – umso wichtiger, weil sie im Kontext einer Verteidigung Gaucks erfolgt:
Hier meine Kritik an Gaucks Äußerungen zum „Tugendfuror“:
http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article114160940/Gauck-und-die-Frauen.html
Soweit die Kritik. Nun gilt es aber, Joachim Gauck zu loben. Denn seine öffentliche – und offensichtlich nicht mit der Kanzlerin abgesprochene – Ankündigung, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren, hat offensichtlich mit beigetragen zu Wladimir Putins Entscheidung, einige prominente Kritiker seines Regimes freizulassen, darunter die Frauen von Pussy Riot und Michail Chodorkowski.
Man kann mit Grund der Meinung sein, dass Putin diese Gesten nur macht, um Kritiker im Westen zu beruhigen im Vorfeld der Winterspiele, die als Werbeveranstaltung das neue Zarentum Putins legitimieren sollen. Man kann und muss darauf hinweisen, dass die Machtverhältnisse im Inneren unverändert bleiben, die Gesetzgebung gegen Schwule und Lesben ja nicht zurückgenommen wird, die Taktik des Kreml, mit offenem Rassismus und Chauvinismus die eigene Macht zu festigen, aufrechterhalten wird; ganz zu schweigen von Putins aggressiver Außenpolitik: dem Versuch, die Ukraine und Armenien einzubeziehen in einen neuen russisch-dominierten eurasischen Machtblock, der Stationierung von Atomraketen in Königsberg, der militärischen Einschüchterung von Ländern wie Georgien und Moldawien, die nach Europa streben, der Unterstützung von Finsterlingen wie dem syrischen Diktator Assad und überhaupt der zumeist destruktiven Politik Russlands im Weltsicherheitsrat.
Geschenkt. Aber wenn schon die Geste des realpolitisch machtlosen Bundespräsidenten solche Folgen haben kann, muss man sich fragen, wie sicher sich Putin wirklich fühlt und was der Westen – im Interesse der russischen Bevölkerung und der Demokratie – erreichen könnte, wenn mehr Staatsmänner und –Frauen dem Beispiel des Bundespräsidenten folgen würden. An dieser Stelle reicht es aber, Joachim Gauck für seine folgenreiche Geste danke zu sagen.
Frohes Fest allerseits!